Zumutbarkeit der Nachholung des Visumsverfahrens
Dieses „richtige“ Visum für die Beanspruchung eines längerfristigen Aufenthaltes in Deutschland ist das sog. nationale Visum, welches eine Gültigkeitsdauer von 3 Monaten bis zu einem Jahr hat. Das nationale Visum ist zweckgebunden. Bekannt ist hier das Visum zum Zweck des Familiennachzugs oder zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.
So ist der Ablauf durch das Aufenthaltsgesetz geregelt.
Ohne Visum nach Deutschland - der nachträgliche Visumantrag
Was passiert aber nun mit Ausländern, die komplett ohne Visum nach Deutschland eingereist sind, etwa auf illegalem Weg.
Ein anderer Fall wären Ausländer, die nicht mit einem nationalen Visum, sondern mit einem sog. Schengenvisum, auch als Touristenvisum bekannt, eingereist sind und in Deutschland den Entschluss gefasst haben in diesem wunderbaren Land dauerhaft zu bleiben.
Bei solchen Fällen verlangt das Gesetz die Nachholung des Visumverfahrens.
Nachholung des Visumverfahrens
Das bedeutet, dass dem Ausländer auferlegt wird, in sein Heimatland zurückzukehren, um dann dort bei der deutschen Botschaft das entsprechende nationale Visum zu beantragen und mit diesem nach Deutschland wieder einzureisen.
Schließlich dient das Visumverfahren dem Zweck, die Zuwanderung nach Deutschland wirksam steuern und begrenzen zu können, was dazu führt, Ausnahmen von der Visumspflicht prinzipiell eng auszulegen, so das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.12.2014, Az. 1 C 15 /14.
Von diesem Regelfall „kann“ aber abgewichen werden, wenn unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles dem Ausländer nicht zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen, so § 5 Abs. 2, Satz 2 2. Fall AufenthG.
Prüfung der Zumutbarkeit
Es findet also an dieser Stelle eine Zumutbarkeitsprüfung statt. Ist es dem Ausländer also zumutbar, das Visumverfahren nachzuholen oder nicht? Im Zweifelsfall kann von der Durchführung des Visumsverfahrens abgesehen werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Nicht alle Unannehmlichkeiten sind unzumutbar
Jedoch stellen die mit der Nachholung des Visumverfahrens verbundene Unannehmlichkeiten, wie etwa der Zeitaufwand, die vorübergehende Trennung von Freunden, Kosten und Mühen, keine besonderen, die Unzumutbarkeit begründenden Umstände dar.
Die Annahme besonderer Umstände, die die Unzumutbarkeit begründen, setzt vielmehr voraus, dass sich der Ausländer in einer Sondersituation befindet, die sich signifikant von der Lage vergleichbarer Ausländer unterscheidet (vgl. Hess. VGH, Beschluss v. 17.06.2013, Az.: 3 B 968/13)
Die Güterabwägung bei der Zumutbarkeitsprüfung des Visumverfahrens
Die Zumutbarkeitsprüfung erfordert also eine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung des Visumverfahrens und den Interessen des Ausländers, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
Bei dieser Interessenabwägung ist das durch Art.6 GG gewährleistete Interesse des Ausländers an Aufrechterhaltung der Familieneinheit als höherrangiges Recht besonders zu beachten.
So kann aber auch eine nur vorübergehende Trennung des Ausländers von seinem kleinen Kind als unzumutbar angesehen werden, da kleine Kinder den nur vorübergehenden Charakter der räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen können und diese rasch als endgültigen Verlust erfahren.
Hier ist dann auf die maßgebliche Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob eine persönliche Verbundenheit zu dem Elternteil besteht (BVerfG, Beschluss vom 01.12.2008, Az: 2 BvR 1830/08).
Es kommt aber auch hier – wie immer- auf den Einzelfall an!
Stand: 06.02.2020